WACKEN 2019 – 30 Jahre W:O:A

Samstag:
Wieder einmal zieht Wacken an mir vorbei. Gefühlt war gestern Mittwoch, irgendwie sind wir aber schon wieder am letzten Tag angekommen. DieWOAsen eröffnen für uns die Progressive / Psydelic Rocker THE VINTAGE CARAVAN. Diese fehlten mir noch im vielversprechenden Bundle der neuen Welle des Vintage Rock um BLUES PILLS, GRAVEYARD und WITCHCRAFT, in Anlehnung an LED ZEPPELIN. Was soll ich sagen… wie schon erwartet spielen die Isländer in der gleichen Liga wie der Rest des Bundles. Leicht bauen sie die für Vintage Rock übliche dichte Atmosphäre auf und ziehen einen unweigerlich mit in diesen Sog hinein. Ab und wann darf man auch wie beim Hit „Set your Sights“ oder „Expand your mind“ auch mal wieder rauskommen, sich fleißig schütteln und mitstampfen. Leider ist der Gig viel zu kurz und nach „Midnight Meditation“ auch schon wieder vorbei. Wenn Euch was an Vintage liegt, versucht Euch an THE VINTAGE CARAVAN. Ihr werdet es nicht bereuen.

Auf dem Weg zu PROPHETS OF RAGE machen wir noch kurz halt bei OF MICE & MEN. Gerne nehme ich den Metalcore in Schutz, da es auch hier die ein oder WOAanderePerle gibt, doch das Konzertende geht an mir vorbei und der Gig wird bei mir in der Bedeutungslosigkeit versinken. Falls sich nicht noch mal unsere Wege kreuzen und es ein anderes Erlebnis wird, wird das nichts mit uns. Dabei fand ich die Jungs aus der Sonne Kaliforniens auf Platte recht ordentlich. Live driften sie von einem härteren „Linking Park“ eher in Richtung UNEARTH ab, ohne an dessen Live Performances heranzureichen. Was soll es, vielleicht bin ich ja nur mit dem falschen New Metal Schuh aufgestanden. Eine Chance werden sie noch mal verdienen.

Mit der folgenden Band PROPHETS OF RAGE habe ich schon am Zelt für einige Lacher gesorgt, da ich als erklärter RAGE AGAINST THE MACHINE Kenner (wie hieß noch mal dieser eine mir doch bekannte Song… K******* in the name…. oder so) den Vergleich zu selbigen gezogen habe ohne zu wissen, dass die halbe Band auch mit von der Partie ist. Ergänzt man das mit Teilen von CYPRES HILL erhält man die WOAProphets. Der Mischung entsprechend kommt am Ende etwas zwischen Rap / Hip Hop und Crossover raus. Die Stimmung ist für diese eher Wacken untypische Band besser als erwartet und schon der gleichnamige erste Song „Prophets of Rage“ wird ordentlich gefeiert. Leider will bei mir der Funke nicht so richtig überspringen. Vielleicht muss ich doch meinen Kopf für heute noch mal mit ein wenig Classic Rock von URIAH HEEP eichen. Den Beschluss getroffen, warte ich noch „Testify“, „Unfuck the world“ und „Guerillo Radio“ ab, doch auf Platte erreichen mich die Prophets mehr.

Kommen wir zur Nordung meines guten Geschmacks mit den Jüngern der Hammond Orgel. Neben John Lord (DEEP PURPLE) steht keiner mehr so sehr für die Hammond als Ken Hensley von Uriah Heep und auch sein Nachfolger Phil Lanzon steht dem kaum nach. Neben Purple prägte auch kaum eine andere Band den Progressive Hard Rock so sehr wie URIAH HEEP. Dementsprechend hoch ist meine Erwartungshaltung. Was bei uns ankommt ist gut, das Wie armselig. Wieder ist es die Louder Stage, die den Ansprüchen des Festivals nicht gerecht wird. Grundsätzlich hat der Veranstalter die WOANachfrage an den Rockveteranen unterschätzt. Doch alleine mit zu vielen Metalheads lässt sich das nicht erklären. Der Sound ist viel! zu leise. Und das auf der Bühne, die in einem Zug mit den beiden Hauptbühnen Faster und Harder genannt wird. Subjektiv ist dieses Jahr selbst die Wasteland Stage an der Louder vorbeigezogen, was objektiv betrachtet nicht passen kann. Ärgerlich ist es dennoch und nur der Band zu verdanken, dass „July Morning“, „Lady in Black“ und „Easy Livin‘“ wenigstens 1a abgestimmt noch ordentlich ankommt. Genuss kann leider keiner aufkommen, da man sich verbiegen muss, um das Konzert überhaupt mitzubekommen. Dennoch können die Briten bei mir den Eindruck festigen, dass Sie unter guten Rahmenbedingungen einen Besuch wert sind.

 Bei AVATAR setzt sich leider der Eindruck der Louder Stage fort. Immerhin stehen wir weit genug vorne, um ordentlich beschallt zu werden. Was hingegen ankommt hat Luft nach oben. Des Growls und Screams von Johannes Eckertröm sind viel zu leise, Gitarren und Bass in keinem Verhältnis zu den Drums. Dies bessert sich im Laufe des Konzerts, ist aber auch gegen Ende maximal als ordentlich zu bezeichnen.
AVATAR bügeln das allerdings problemlos mit Ihrer Präsenz weg. Da dies meine erste Begegnung der Schweden ist, bin ich schwer von der Professionalität der Outfits, Abläufe und Bewegungen angetan, sogar mehr noch vom Talent Eckströms als Comedian. Musikalisch einzuordnen sind Avatar schwer. In den Anfängen nochWOA an Göteborger Melodic Death Metal angelehnt (der Einfluss der Heimat ist dann wohl doch nicht zu leugnen), gibt es auch Ausflüge in Richtung Stone Rock, DIE APOKALYPTISCHEN REITER und MARYLIN MANSON. Hervorgehoben werden können die Türöffner „The Eagle has Landed“, „Bloody Angel“ und „Smells like a freakshow“, die uns auch heute mitreisen. Wacken nimmt bei Frontmann Eckström auch eine besondere Rolle ein, da er wohl als jüngerer Bruder zuhause bleiben musste, währenddessen sein Bruder Wacken unsicher machte und es recht unsanft aufs Brot geschmiert bekommen hat. Daraus hat sich wohl der Wunsch ergeben, seinen Bruder zu toppen, indem er in Wacken spiele, was er dann ja auch geschafft hat.

Der krönende Abschluß des Abends sind PARKWAY DRIVE. Bis dato habe ich die Australier nur einmal als Support von UNEARTH mitgenommen und als Hardcore abgestempelt. Wacken 2018 war unsere Truppe jedoch sehr vom neuesten Release „Reverence“ angetan. Die Scheibe lief das ganze Festival über immer wieder am Zelt WOAund begeisterte uns alle. Haben sich PARKWAY DRIVE auch eher dem Melodic Death Metal und damit In Flames angenähert, die uns allen am Herz liegen. Damit haben die Australier sich die Messlatte aber auch selbst sehr hochgelegt. Los geht es mit einem Einlauf durch die Menge. Was für ein Spektakel, unglaublich. Die Band genießt wohl zu diesem Zeitpunkt schon die Menge, die gar nicht mehrenden will. Langsam wird die richtige Atmosphäre eines Headliners aufgebaut, wo schon der Opener „Wishing Wells“ gute Arbeit leistet. Weiter geht es mit dem melodischen „Prey“ bis bei „Carrion“ die Erde zum Beben gebracht wird. Ein Highlight an sich ist schon, dass der Gig überhaupt stattfindet, da sich Basist Henrik Sandelin nur wenige Tage zuvor das Knie gebrochen hatte. Er wurde dann von seiner Mutter auf die Bühne geschoben, damit diese auch gleich die Gelegenheit nutzten konnte, einmal ein vernünftiges Crowd Surfing in ihrem Leben mitzunehmen. Die Stimmung brodeltWOA und Sänger McCall ist sichtlich von den Socken vom tollen Feedback der gar nicht mehrenden wollenden Menge. „I Hope you rot“ wird gefeiert, „Absolute Power bringt durch den Jump Aufruf wieder die Erde zu beben. Zwischendurch drosselt das Quintett immer wieder das Tempo, um Gesang und Melodielinien Freiraum, die nötige Luft zum Atmen zu verschaffen („Writings On The Wall“) Was bleibt ist die Erkenntnis, heute die erste ernsthafte Konkurrenz im Death Metal Bereich zu IN FLAMES gesehen zu haben. Bands der härteren Gangart haben es generell schwerer als die Vertretung des Hard Rock zu wirken und als Headliner durchzustarten, doch nichts anderes haben PARKWAY DRIVE heute gemacht. Ich ziehe den Hut vor einer überragenden Performance.

Fazit:
Wieder einmal ist Wacken viel zu schnell an einem vorbeigezogen. Die Organisation hat sich mit Unwetterwarnungen auf Neuland begeben und noch nicht alles gut gemacht, kann aber darauf aufbauen. Grundsätzlich muss der Schutz aller Beteiligten natürlich das höchste Gut sein, im Zweifel sagt man lieber ein Konzert zu viel ab. Die Reservierungsmöglichkeiten auf dem Campgrounds waren für die meisten eine Überraschung und ein kleines Ärgernis, die Veranstaltung hat hier aber sehr schnell reagiert und die Flächen freigegeben, damit kein zu großer Rückstau und Unmut aufkommt. Die Shuttle Situation des letzten Jahres wurde erkannt und deutlich verbessert. Besser kann das nicht organisiert werden. Ansonsten verbleibt die üblich gute Organisation. Das neu etablierte Kaufland habe ich nicht erlebt, habe zumindest aber auch kein negatives Feedback erhalten.

Musikalisch war das Jubiläumsjahr wieder ein Highlight, auch wenn die Line Up vorab nicht viel für mich hergegeben hatte und die Anzahl der Bühnen so langsam eine Herausforderung darstellen. Die Soundqualität auf den Bühnen (mit Ausnahme der Louder Stage) ist schon wieder verbessert worden. Auch dieses Jahr fand ich viele gute Anregungen über die Wacken Playlist und durfte großartige neue Bands wie THE VINTAGE CARAVAN, THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA oder THE NEW ROSES kennenlernen, welche ich alle uneingeschränkt weiterempfehlen kann.
Über allem stehen für mich dieses Jahr aber die australische Fraktion, die dieses Festival gerockt hat. AIRBOURNE hat die Messlatte schon hochgelegt, PARKWAY DRIVE diese noch mal nach oben geschoben. In dieser Form werden wir beide als Headliner wiedersehen.

Thomas Neumann, Ronny Kühn, & Vicky Schneider

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