WACKEN 2019 – 30 Jahre W:O:A

Freitag:
Der schon wieder vorletzte Tag beginnt mit der einer original amerikanischen Band THE NEW ROSES aus Wiesbaden. Der Rock / Country Rock erinnert stark an Größen wie KID ROCK, THE FOO FIGHTERS und SHINEDOWN bis hin zu BON JOVI, ohne wie ein billige Kopie zu klingen. Bei den ersten Takten wird schon klar, dass die Jungs Ihr Handwerk verstehen. Spätestens beim Einsatz von Timmy Roughs WOAVocals ist auch sicher, dass dies erst der Beginn des Wegs für das deutsche Quartett ist. Wie später bei der Pressekonferenz klar wird, hat man doch vor allem in den Bars des amerikanischen Stützpunkts in Wiesbaden Erfahrung gesammelt und kommt schon auf beachtliche tausend Konzerte in nur zehn Jahren. Die Songs sind einfach und griffig gehalten und aus dem Leben gegriffen. Nervosität ist heute auch im Gepäck, da man ja nicht so richtig weiß, wie man mit Rock auf einem Metal Festival ankommt. Songs wie „Nothing but wild“ krachen, „Thirsty“ und „Every Wild Heart“ laden zum Mitsingen, die neue Single „Down by the river“ zum Träumen ein. Zwischendurch lässt man es sich auch nicht nehmen, VAN HALEN mit einem kleinen Gitarrensolo zu huldigen. Das ist großer Sport. Auch das auf das Wesentliche reduzierte Unplugged Konzert im Anschluss ist herausragend. Wir sehen uns wieder.

Vor EVERGREY wird leider die nächste Unwetterwarnung ausgegeben, was uns nötigt im VIP Zelt ein Bierchen trinken zu gehen. Das ist aber auch echt blöd J. Ungemütlich wird es dann eine Stunde später, da neben Wetter nun auch noch kein Bier mehr ausgeschenkt werden darf. Die Stimmung im Zelt kippt schneller um, als ich es jemals bei einer Band erleben konnte J. Die Zeit vergeht dennoch im Flug, da auch RAGE Sänger Peter „Peavy“ Wagner einem kleinen Schnack nicht aus dem Weg geht. Was aber auch dieses Mal hängen bleibt ist die Kommunikation, die auf nächstes Jahr dringend geschärft werden sollte. Von „es geht gleich weiter“ bis „Das Festival ist für heute vorbei“ war eigentlich alles dabei. Hoffentlich hatte letzteres auch niemand zu ernst genommen, da es nach ca. 1 ½h wieder weiter ging. Was danach folgen sollte war allerdings auch wieder recht undurchsichtig. Wenn man die Running Order zur Laufzeit verändern muss, würde ich mir über die Slotverschiebungen auf der App hinaus (die man auch gerne mal übersehen kann) eine Information über die zahlreichen Videoleinwände wünschen. Das kann von der Ankündigung der Verschiebungen mit einem Vorher / Nachher Vergleich bis hin zur Ankündigung der nächsten 3-4 Bands pro Bühne gehen. Für den Fan ist es sehr ärgerlich, im Nachhinein erfahren zu müssen, dass er seine Lieblingsband hätte nicht verpassen müssen, da sie ja zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort hat spielt. Aber den Ball wird die Wacken Orga sicher aufnehmen.  

Mit Wiederaufnahme des Betriebs, gehen wir zu ANTHRAX, eine der „großen Vier des Thrash“! Nicht das erste Mal auf dem Wacken, macht aber nichts, ich freue mich wie Bolle auf diese eine der einflussreichsten Band des Trash. Und sie liefern! Mit „Caught in the Mosh“ kommen sie direkt von Anfang an auf den Punkt und haben die Menge direkt im Griff! Schon cool, wie diese Jungs von der Ostküste der USA (die Band wurde 1981 in New York gegründet) noch immer mit ihrem fetten Sound einem in WOAdie Fresse hauen! Joey Belladonna hat immer noch eine geile, melodische Stimme! Diese Stimme macht seit 1985, mit zwei Auszeiten, den Unterschied zu den anderen Bands! Gut das er 2010 zur Band zurückgekommen ist!  Mit „I am the law" und „ Now it‘s dark „ legen sie noch ne Schippe drauf, echt Wahnsinn wie the Crowd mitgeht! Wir “Jünger des Trash“ folgen ihnen bedingungslos! Schön, dass sie einen Mix aus allen Dekaden spielen, so wie „Antisocial" von 1994! Ein Cover der französischen Band „Trust“ aus dem Jahr 1980! Beim letzten Song "Indians“ vom Album „Among the living“ von 1987 schütten die Jungs noch einmal die volle Ladung des Thrash Metal in die Menge! Danke für das geile Konzert!

BLACK STONE CHERRY aus dem beschaulichen Edmonton in Kentucky! Gar nicht beschaulich, sondern ziemlich maskulin, mit beiden Füßen auf dem Boden stehend, präsentieren sie ihren ruppigen Südstaaten-Rock! Schon beim Opener „Burnin‘" ist man geneigt seinen Whisky schnell auszutrinken und beherzt vor die Bühne zu rennen, um der Band mit exzessivem Headbangen zu zeigen wie scharf ihr Sound ist! Das Shirt ist spätestens beim zweiten „Me and Mary Jane" nass geschwitzt! Nicht umsonst sagt man ihnen nach, dass sie zu den fettesten Bands der letzten Jahre aufgestiegen sind! Gegründet wurde sie 2001 und hat bisher mit ihrem unverkennbaren Sound WOAsechs Studioalben veröffentlicht! Es geht weiter …. Treibend und peitschend knallt „Blind Man“ von 2008 aus den Boxen! Echt der Wahnsinn! „Blame It on the Boom Boom“, „White Trash Millionaire“ folgen, man fühlt sich irgendwo in den Südstaaten in einen Club versetzt und der Schweiß tropft von der Decke! Einfach geil! Robertson, Wells, Lawhon und Young schreiben ihre Songs unterwegs auf Tour, das Finish erfolgt dann im Studio in Edmonton! Die Musik so easy und locker auf die „ruppigsten Riffs“ gebracht beherrschen sie tadellos! Bevor „Family Tree" das Set abschließt, kommen sie noch mit einer Hommage an einen anderen großen Musiker … „Cheaper to Drink alone" beinhaltet ein Stückchen von JIMI HENDRIX‘s „Purple Haze"! Was für eine messerscharfe Band!

Leider gibt es in Wacken kein Cajun, um das Ganze Südstaatengefühl abzurunden. Daher ziehen wir weiter in die Spähren von WITHIN TEMPTATION. Offiziell gehören die Landessnachbarn aus dem Land des Käses und der guten Tomaten musikalisch dem Symphonic Metal à la Nightwish an, doch erinnern sie mich eher an WOAEVANESCENSE mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass „Sharon Janny den Adel“ gesanglich auch live auf der ganzen Linie überzeugen kann. Die Harmonien mit Robert Westerholt sind stimmig und auch wenn einige Songs eher im Pop / Rock Bereich anzusiedeln zu sind, versteht es die Band auch durchaus zu treiben, was sie heute mit „The Reckoning“ beweisen. In unserem Lager scheiden sich nun die Geister daran, ob NIGHTWISH oder WITHIN TEMPTATION besser sind, am Ende ist es egal, da die Fans beider Lager gewinnen. „Paradise“, und „Mad World“ reißen dann wohl noch die letzten Zweifler mit.

Der erste Headliner des Abends sind DEMONS & WIZARDS. Fans von ICED EARTH und BLIND GUARDIAN wird diese Kombo ein Begriff sein, da dieses Nebenprojekt die beiden genannten Bands zusammenführt, angeführt von den Masterminds Hansi Kürsch (BLIND GUARDIAN) und John Schaffer (ICED EARTH). Meine größte Sorge ist die Performance von Kürsch, da er vor zwei Jahre mit Blind Guardian seine gewohnte Klasse vermissen ließ. Die Anspannung fällt doch nach „Rites of Passage“ und „Heaven Denies“ schon wieder ab, da ich genau die Stimme bekomme, die ich schätzen und liebend gelernt habe (unterlegt von einem sehr stimmigen Chor). Da ich nur den Klassiker „Fiddler on the Green“ bewusst im Ohr habe, bin ich immer wieder überrascht, welche Kraft und Dynamik DEMONS & WIZARDS haben. Langsam sind sie im Begriff BLIND GUARDIAN in WOAmeiner Wertschätzung zu überflügeln. Natürlich lässt es man sich dennoch nicht nehmen, den ein oder anderen Kracher wie „Burnin Times“, „I Die For You“ oder „Valhalla“ aus den Hauptprojekten mit einfließen zu lassen, was alles in Allem eine unglaubliche Magie an diesem Abend aufbaut. Ob es nun die Shows aller Shows ist, die Hansi Kürsch zu Ehren des Geburtstags der Mutter aller Festivals, Wacken, uns gerne mitgeben will, muss jeder für sich selbst entscheiden. Einer der großen Auftritte ist es. Dabei gerate ich mit Famas aus Brasilien ins Schnacken, der viel von Wacken gehört hatte und das alles mit seiner Freundin einmal erleben wollte. Er ist begeistert von der Atmosphäre des Festivals und der Gast-/ Freundlichkeit der Menschen und der Qualität der Konzerte. An das Wetter muss er sich noch ein wenig gewöhnen, auch wenn er in seinem Auslandssemester Physik Deutschland Zeit gehabt hatte sich daran zu gewöhnen.

Die Urväter der Thrash Metal, SLAYER, übernehmen nun das Zepter. Im Thrash Metal Genre gibt neben Metallica keinen größeren Namen. Bevor sich „Helga“ und „Wacken“ und „Folgt dem Hasen“ in den letzten 10 Jahren etablierten, wurde man auf jedem Festival noch anständig mit einem SLAYER Growl mindestens hundert Mal begrüßt, Freunde wurden SLAYER und ich leider dennoch nie, auch wenn ich den größten Respekt vor Hits wie „Raining Blood“, „Angel of Death“ und „Repentless“ habe. Diese werden auch heute wieder in höchster Qualität abgeliefert, so dass ich gewillt bin, das als WOAFreundschaftsantrag anzunehmen, wenn es auch nichts bringen wird, da die Amis sich auf Ihrer „Final Word Tour“ befinden und in diesen Gefilden wohl nicht mehr vorbeischauen werden. Wahre Fans kommen heute auf Ihre Kosten und werden bei dem Gedanken an Abschied sicher ein wenig trauern, haben heute aber noch mal das volle Programm genießen können. Persönlich habe ich Respekt vor der musikalischen Klasse, freue mich dennoch auf den Ausblick eines neuen Wacken Headliners, da ja schließlich auch jemand nachrücken muss. Der morgige Tag wird zeigen, inwiefern dieses Jahr PARKWAY DRIVE diese Gelegenheit nutzen wird.

Ausklingen lassen wir den Abend mit THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA. Der Slot zwischen der harten Gangart von THY ART IS MURDER und LEGION OF THE DAMNED mutet nicht glücklich gewählt an, da die Band sich dem Hard / Adult Oriented Rock der 80er, wie man beispielsweise vom FOREIGNER kennt, gewidmet hat. Es dauert dennoch nur bis zu „Gemini“ bis sie das Zelt mit seinem harten Metaller mit Ihrer Energie, Leidenschaft und einer gehörigen Portion Spaß auf der Bühne für sich eingenommen haben. Auch die neue Single „Sattelite“ weiß durchaus zu überzeugen. Neu für mich ist die Alternative zu Circle Pit und Wall of death / love, der Night Train, der am wohl eher auf Schlagerfestivals zelebrierten Entenmarsch anlehnt. Dieser führt auch dazu, dass der Rausschmeißer des Abends „West Rust Ave“ ungefähr drei Mal so lang wie üblich gespielt wird. Es macht aber unheimlich Spaß mitanzusehen, wie die Metalheads lustig durch die Gegend hüpfen, natürlich auch selbst mitzumachen.
Ich kann nicht sagen, an welchem seiner ganzen Projekte von SOIKWORK über COLDSEED bis hin zu DISARMONIA MUNDI und andere das Herz von Sänger Björn Ove Strid am meisten schlägt, doch mit dieser Leidenschaft und der einzigartigen Rock-/ Popstimme, sehe ich heute das erste Mal seine große Qualität.

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