End of Green - The sick's sense



EOGDrei Jahre nachdem die schwäbischen Düsterrocker mit Ihrem letzten Album „Dead End Dreaming“ nicht nur im gewohnt kleinen Kreis, sondern im Ozean der Metalkritiker hohe Wellen geschlagen haben, melden sich die sympathischen Göppinger mit ihrem aktuellen Release „The Sick's Sense“ wieder zurück und wissen wieder einmal zu überraschen. Das Gothic-Gefilde wurde  für eine Portion rotzigen Rocks und einem überraschenden stark ausgeprägten Alternativ Einschlag weitgehend verlassen.

Der Opener Dead City Lights ist nahezu die mustergültige Rocknummer. Wer befürchtet einen billigen Abklatsch von „Highway 69“ oder „Speed my drug“ vorzufinden hat weit gefehlt. Eine so rotzige Nummer, die dennoch insbesondere durch Ausnahmesänger Michelle Darkness (Michael Huber) eine atmosphärische Dichte einer Ballade inne hat ist Neuland. Unglaublich, das macht End of Green einzigartig. Ein absolutes Highlight und ein kleines Rätsel, dass dieser Song nicht als Single ausgekoppelt wurde.

Dieses löst sich jedoch schnell, stößt man erst einmal auf die Single Killhoney, die auch zusammen mit dem Titel Die Lover Die auf Myspace frei zugänglich ist. Das Tempo ein wenig reduziert und Hubers Stimme  um zwei Oktavenbis hin zur schieren Unmöglichkeit nach unten gedreht, dass selbst Mister Steele große Augen machen würde beginnt Killhoney als Midtempo-Nummer, die im letzten Drittel mit einer ergreifenden Schwere erdrückend wird. Schreit Michelle seinen Frust in die Welt hinaus ist Gänsehaut garantiert.

Erstaunlich auflockernd und leicht kommt der dritte Song Anthem for a New Wave daher. Ein akustisch erfreulich optimistisches Intermezzo, das den in den Lyrics anklagenden Wandel der Welt in eine Dimension ohne Moral und Sozialität nahezu vergessen lässt.

Im Vorbeigehen zeigen die Göppinger, dass sie den Gothic-Touch nicht ganz abgelegt haben und entlassen mit Hurter einen Song mit Potential zum Meilenstein des Gothic-Rocks in die Welt. Versuchen andere Bands dieses Genres um des Effektes willen den Suizid in den Vordergrund zu stellen, verbreiten End of Green mühelos eine Tristesse, an der gebeutelte Seelen sich weiden und wieder aufrichten können.

Wollte man schon immer wissen, wie Punk an die Grenzen der Melancholie getrieben werden kann sollte man sich Die Lover Die zu Gemüte führen und wird feststellen, dass diese Gradwanderung durchaus ihren Reiz inne hat. Sehr straighte und mutige Nummer mit Hitpotential.

Let Sleeping Gods Lie  dürfte all denen ein Strahlen ins Gesicht zaubern, die mit Blick auf die Spielzeiten schon befürchteten, der ganz große Moment fehle auf diesem Album. In der Tat ist dieses Werk verhältnismäßig kurz im Vergleich zu den monumentalen Vorgängern I Hate und Infinity ausgefallen, doch kommt man einfach schneller auf den Moment, gibt sich in der Spitze aber keine Blöße. Dieser Song ist ein Auffangbecken aller negativen Gedanken. End of Green sind so authentisch, dass man sich einfach in diesen Strudel der Emotionen fallen und hineinziehen lassen kann.

Aus dem Sog befreit zieht einen der intensive, langsame, aber dennoch kraftvolle Strom My Crying Veins mit und es bleibt einem nichts weiter übrig als sich treiben zu lassen. Große Kunst.

Doch naht mit Pain Hates Me das rettende Ufer. Die midtempo Gothic-Rock Nummer wirkt zu aufgesetzt und enstpricht zu sehr den Genrestandards, kann aber durch Mr. Darkness' Stimme dennoch mühelos im Fahrwasser des Genres mithalten.

Mit The Sickness Crown wird das Gaspedal noch mal richtig durchgetreten und Huber packt seine rar gehaltenen Screams obendrauf. Dies lädt einfach zum moschen ein bis die Wirbel krachen. Ganz groß wird der Song jedoch, wenn die brachialen Riffs in schöne Melodielinien fließen und Michelle mit  “I  think for real this dream is over an again – Fear to bleed...” einsetzt...

Wo andere Bands ein Instumental zur Entspannung einbauen, packt End of Green einfach eine Portion Alternativ mit locker leichtem Gothic-Rock in die Teigmaschine und knetet mal richtig durch und heraus kommt das entspannende, zum Seele baumeln lassen einladene Ghostdance.

Nach diesem kleinen Zwischenspiel werden dann noch mal die großen Emotionen ausgepackt. Bei einem Titel wie Sunday Mourning antizipierte man spontan eine verkaterte Sonntagmorgen Chillstimmung und entsprechend ist auch der Einstieg, der allerdings schnell in melancholische  Verzweiflung abdriftet und in einer gewaltigen Riffwand untermauerten Wut mündet. Die Ode an all jene, die eine gescheiterte Beziehung zu verarbeiten haben.

Mit dem passenden Titel The End / Bury Me Down findet “The Sick's Sense” einen gelungenen Abschluss, der in einer emotionalen Woge tiefgreifend existenzielle Fragen aufwirft und musikalisch schön mit der Akustikgitarre ausklingt. Die klassischen Regen- und Donnersamples wirken jedoch deplaziert, nehmen dem Stück eher die Luft zu atmen, die sowieso schon brennt.

Entscheidet man sich für die Limited Edition bekommt man noch ein Unplugged Version von „Hurter“, dem Live-Klassiker „Tragedy Insane“ und einigen weiteren alten Stücken hinzu. An diesem Add On werden sich wohl die Geister scheiden. Grenzt für die einen Michelle Darkness von Akustikgitarren begleitet einer Offenbarung an, wird es andere nur in die nächste Gähnattacke treiben. Daher soll an dieser Stelle nicht das Blaue vom Himmel versprochen werden. Mann muss wohl dabei gewesen sein.

Fazit:
End of Green sind direkter und auch zugänglicher geworden ohne sich selbst zu verlieren. Dieses Album ist wahrlich ein Monster einer Platte, mit leichten Einbrüchen, die von den Höhepunkten jedoch spielend kaschiert werden. Ein Muss für jeden Fan von EOG und Gothic-Rock und alle, die von dahinplätschernder Radiomucke zu viel haben, denn „Musik, die nicht berührt ist Zeitverschwendung” (Sad Sir).
10/10


Christian Schneider
 

 

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